Blitzlicht
Nadja Neumann

Gibt es rechtsdrehendes und linksdrehendes Wasser?

Tobias Goldhammer beantwortet diese Bürgerfrage bei "Frag Leibniz"
In der Esoterik nimmt man an, dass es rechtsdrehendes und linksdrehendes Wasser gäbe. Dem linksdrehenden wird nachgesagt, dass es träge sei, rechtsdrehendes hingegen aktivierend und energetisch. Um die in der Leitung müde vor sich linksdrehenden H2O-Moleküle in rechtsdrehende zurück zu verwandeln, soll man sie in einem Krug mit Edelsteinen wiederbeleben. Rechtsdrehend - linksdrehend, da war doch was im Chemieunterricht, oder war‘s die Werbung mit dem Joghurt? Dr. Tobias Goldhammer kennt sich mit der Chemie des Wassers bestens aus und erklärt uns das mal genau. Und - Achtung Spoiler: Wasser ist nie, wirklich niemals träge!

Egal ob rechts oder links, Wasser in Bewegung ist doch am schönsten. I Foto: Angelina Tittmann

In der Chemie und Physik wird der Begriff rechtsdrehend und linksdrehend verwendet. Damit sind Stoffe gemeint, die chemisch identisch sind, sich jedoch in der räumlichen Anordnung ihrer Moleküle unterscheiden: Sie sind genau spiegelverkehrt. Es ist wie mit deiner rechten und linken Hand. Sie sind aus gleichen „Bauteilen“, aber – was du auch tust – du kannst immer die rechte Hand von der Linken unterscheiden. Diese Art der Isomerie wird daher auch Chiralität, Händigkeit, genannt.

Um welche Art es sich handelt, kann das bloße Auge nicht erkennen. Erst durch Polarisation werden die Eigenschaften sichtbar. Die beiden spiegelgleichen Substanzen verändern bestimmte Eigenschaften des Lichts auf unterschiedliche Weise: Genau genommen ist Licht ja eine Welle, die in einer bestimmten Weise auf und ab schwingt. Das nennt man Polarisation. Linksdrehende Substanzen dreht diese Polarisation, also die Schwingungsrichtung des Lichts, nach links und rechtsdrehende nach rechts. Daher auch die Bezeichnung. Dies gilt beispielsweise für Aminosäuren, Zuckerverbindungen, aber auch Arzneistoffe. Und, na klar: im Joghurt die rechts- und linksdrehende Milchsäure.

Tatsächlich ist es so, dass rechtsdrehende Stoffe im Körper anders wirken können – so wie ein rechter Handschuh eben nur auf die rechte und der linke nur auf die linke Hand passt. Wassermoleküle sind aber nicht chiral, sondern immer gleich – es gibt also kein rechtsdrehendes und linksdrehendes Wassermolekül im chemischen oder physikalischen Sinn. In der Esoterik werden die Begriffe rechts- und linksdrehendes Wasser jedoch oft missverständlich für die Richtung des Elektronen- oder Kernspins der Wasserstoffatome verwendet. Dies ist jedoch eine quantenmechanische Eigenschaft, die für das biochemische Verhalten des Wassers keine Rolle spielt.

Von Trägheit kann beim Wasser ohnehin keine Rede sein, denn zwischen den einzelnen Wassermolekülen wirken elektrostatische Kräfte – sogenannte Wasserstoffbrücken, sehr kurzlebige Verbindungen. Sie entstehen ständig neu und lösen sich wieder auf, und so bleiben die Wassermoleküle immer in Bewegung. Erst bei 0 Grad werden die Moleküle "träge" und die Wasserstoffbrücken stabilisieren sich - Wasser gefriert zu Eis. Und das wäre dann wirklich der einzige etwas weniger "energetische" Zustand von Wasser. 

 

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Ansprechpersonen

Tobias Goldhammer

Programmbereichssprecher*in
Forschungsgruppe
Nährstoffkreisläufe und chemische Analytik

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