Blitzlicht

Aquakultur nachhaltig und kreislauforientiert gestalten

Leopoldina Policy Report gibt Empfehlungen für Deutschland und Brasilien
Mehr als die Hälfte der weltweit konsumierten Fische, Muscheln, Krebstiere und Algen stammt heute aus Aquakultur – Tendenz steigend. Vor allem die Süßwasseraquakultur gilt als vielversprechende Möglichkeit, tierisches Eiweiß ressourcenschonend und umweltverträglich zu erzeugen. Sie könnte einen wichtigen Beitrag zur globalen Ernährungssicherheit leisten und dabei knappe Ressourcen wie Wasser und Böden schonen. Wie eine nachhaltige und kreislauforientierte Aquakultur in Deutschland und Brasilien konkret aussehen könnte, zeigt ein heute veröffentlichter gemeinsamer Policy Report der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Brasilianischen Akademie der Wissenschaften (Academia Brasileira de Ciências, ABC), der zusammen mit Forschenden vom IGB erarbeitet wurde. Das Papier formuliert praxisnahe Empfehlungen für Politik, Verwaltung und Forschung.
Tilapia in einer Kreislaufforschungsanlage des IGB

Tilapia in einer Forschungskreislaufanlage des IGB. Die Art ist weltweit der drittmeist produzierte Fisch aus Aquakultur. I Foto: Ralf Günther

Sowohl Deutschland als auch Brasilien verfügen über großes Potenzial im Bereich der Süßwasseraquakultur – und bleiben bislang hinter ihren Möglichkeiten zurück, urteilen die Autorinnen und Autoren. Der Fischkonsum liegt in beiden Ländern deutlich unter dem globalen Durchschnitt von 20,5 Kilogramm pro Kopf: in Brasilien bei rund 10 kg, in Deutschland bei etwa 14 kg. Trotz günstiger geografischer und klimatischer Bedingungen ist Brasilien stark auf Fischimporte angewiesen. In Deutschland ist die Lage noch kritischer: Die Aquakulturproduktion geht zurück, und nur rund zwei Prozent des konsumierten Flossenfischs stammen aus heimischer Aquakultur. Um das Potenzial der Süßwasseraquakultur besser und nachhaltiger zu nutzen, identifizieren die Autorinnen und Autoren drei zentrale Handlungsfelder: 

  • Regulierung vereinfachen: Genehmigungsverfahren sollten gestrafft und Zuständigkeiten klarer gebündelt werden. Die Einrichtung spezialisierter „Aquakulturbeauftragter“ in den Behörden könnte Abhilfe schaffen.
  • Fachkräfte gewinnen und qualifizieren: Der Aufbau nachhaltiger Produktionssysteme braucht gezielte Aus- und Weiterbildungsangebote – auch auf universitärer Ebene.
  • Wissenschaft in die Praxis bringen: Forschungsergebnisse und technologische Innovationen müssen verstärkt in lokal angepasste Lösungen überführt werden. Die Autorinnen und Autoren schlagen vor, sogenannte Technologiepakete zu entwickeln, die auf regionale Bedingungen, Fischarten, Produktionssysteme und Abfallmanagement abgestimmt sind.


    Der Report wurde von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus Brasilien und Europa im Rahmen des Workshops „Sustainable Aquaculture – Environmental Impacts and Food Security“ verfasst, der im Oktober 2023 am IGB stattfand. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Leopoldina und der ABC. Ziel war es, wissenschaftliche Erkenntnisse länderübergreifend zusammenzuführen und gemeinsame Perspektiven für eine nachhaltige Aquakulturentwicklung zu schaffen.


    Der Policy Brief „Advancing sustainability and circularity in aquaculture to build a resilient global food system“ ist in englischer Sprache auf der Website der Leopoldina veröffentlicht.