„Die Stärke der Vertical Wetlands liegt darin, dort anzusetzen, wo eine Renaturierung aufgrund intensiver Nutzung oder dichter Bebauung nicht möglich ist. Hierfür werden grüne Schlüsselbausteine angeboten, die schon auf relativ kleinen Flächen helfen, die großen ökologischen Defizite zu reduzieren“, erläutert IGB-Forscher und Projektleiter Dr. Christian Wolter die Grundidee. So können Gewässerabschnitte ökologisch schnell und kostengünstig aufgewertet werden. „Zudem leisten Vertical Wetlands auch einen Beitrag zur Wasserqualität: Das Beschatten der Uferwände reduziert den Wärmeeintrag in die Gewässer durch die von der Sonne aufgeheizten Uferwände“, ergänzt Christian Wolter. Neben den ökologischen Aspekten gerade im städtischen, stark versiegelten Bereich außerdem besonders wertvoll: Es entsteht ein neues, ästhetisches Landschaftselement, das die Ufer optisch aufwertet.
Unbedenkliche Baumaterialien in einem flexiblen System
Das System besteht aus zwei Hauptkomponenten: der an der Uferwand befestigten Tragschiene und den daran eingehängten Pflanzmodulen. Es kann an Spundwänden, Naturstein- oder Betonmauern befestigt werden und besteht nur aus Materialien, die für Gewässer unbedenklich und biologisch abbaubar sind: unbehandelter Stahl, sägeraues Holzk, dem Gewässertyp entsprechendes Substrat, wie z. B. Sand oder Kies, darüber ein biologisch abbaubares Vlies und gewässertypische Gehölze und Pflanzen, wie z. B. Weiden, Erlen, Schilf, Binsen und Rohrkolben. Zusätzlich kann ökologisch wichtiges Totholz zwischen, unter oder auf den Modulen befestigt werden.
„Das System ist sehr flexibel und kann in verschiedenen Höhen, Längen und Neigungswinkeln sowohl vom Land als auch vom Wasser aus installiert werden. So kann sehr gut auf unterschiedliche Standortanforderungen reagiert werden, zum Beispiel auf behördliche Vorgaben zu nutz- und überbaubaren Flächen oder auf Auflagen des Denkmalschutzes. Zudem kann es im Bedarfsfall problemlos rückgebaut werden“, erklärt Ralf Steeg vom Berliner Ingenieurbüro WITE, das für die technische Konzeption und Umsetzung der Pilotanlage zuständig war. Die Anlagen sind auch für starke Strömungen, die Sogwirkung von Schiffen und Wellengang ausgelegt. Sollte es doch einmal zu größeren Schäden kommen, etwa durch einen Schiffsanprall, können die Module ohne großen Aufwand einzeln ausgetauscht werden.
Berliner Pilotanlage zeigt schnell Erfolge und soll Schule machen
Die mit Schilf und vier verschiedenen Weidenarten bepflanzte Pilotanlage wurde im Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal, in der Nähe des Golda-Meir-Stegs, auf einer Länge von 40 Metern errichtet. Die Anlage besteht aus 76 Modulen und wurde im April 2023 innerhalb von 14 Tagen wasserseitig von einer schwimmenden Arbeitsplattform aus montiert. Das IGB führte während des Projekts regelmäßige Beobachtungen durch, um die ökologische Wirkung der Anlage zu bewerten: „Die Beobachtungen haben gezeigt, dass die ökologischen Trittsteine gut angenommen wurden. Bereits wenige Tage nach der Montage wurde Fischlaich an den Modulen festgestellt, nach wenigen Wochen unternahmen Blässhühner erste Nestbauversuche. Schon nach einem Monat hatten sich Wurzelbärte entwickelt, die teilweise bereits einen halben Meter ins Wasser ragten. Diese sind besonders wertvoll als Rückzugsort für Fische, deren Verweilen in und Durchwandern von urbanen Fließgewässern mit künstlichen Trittsteinhabitaten auch unterstützt werden soll. Zudem wurden die Module auch von weiteren Wasserpflanzen, Moosen und Algen besiedelt. Wir konnten darüber hinaus verschiedene Libellen, Käfer, Wespen und Spinnen sowie Wasserschnecken beobachten“, fasst IGB-Projektkoordinatorin Rosanna Wiebe zusammen.
„Das IGB Manual zu den Vertical Wetlands enthält neben konzeptionellen Zeichnungen auch einen Implementierungsplan, der auf den Erfahrungen aus dem Pilotprojekt beruht. Mit der kostenlosen Publikation wollen wir die Bekanntheit des Ansatzes steigern, zur Nachahmung anregen und interessierten Akteur*innen die Möglichkeit geben, selbst an anderen Standorten zu prüfen, ob dort Vertical Wetlands installiert werden können“, erklärt Christian Wolter.
Dank für konstruktive Zusammenarbeit und Förderung
Das Projekt wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt, der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt und dem Bezirk Mitte umgesetzt. „Ich bin sehr dankbar, wie konstruktiv und erfolgreich alle Beteiligten an diesem Prozess mitgewirkt haben“, betont Christian Wolter.
Gefördert wurde das Vorhaben im Berliner Programm für Nachhaltige Entwicklung (BENE) aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und des Landes Berlin.
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Das IGB Manual kann unter diesem Text heruntergeladen werden.