Die IGB-Forscherin Dr. Stella Berger auf dem Seelabor des IGB im Stechlinsee. | Foto: Astrid Scheuermann
Eine zentrale Erkenntnis: Extreme Wetterereignisse wie Stürme wirken weit über den Moment hinaus. Die simulierten Auswirkungen eines Sturms veränderten nicht nur kurzfristig die physikalischen Bedingungen, sondern führten zu einer Kaskade biologischer und chemischer Reaktionen, die über Wochen hinweg anhielten.
Das „Seelabor“ ermöglicht Wiederholungs- und Kontrollstudien unter Freilandbedingungen ohne den Stechlinsee zu beeinflussen
Bisherige Erkenntnisse dazu, wie Seen auf extreme Stürme reagieren, basierten hauptsächlich auf Beobachtungsstudien. Dabei war es schwierig, die Auswirkungen physikalischer Einflüsse von sekundären Faktoren wie externen Nährstoffeinträgen zu trennen.
Dies war in diesem Großexperiment anders: Das „Seelabor“ liegt im Stechlinsee. In 24 Seebecken – den Versuchszylindern – mit einem Durchmesser von jeweils 9 Metern und einer Tiefe von ca. 20 Metern wird die Wassersäule eingeschlossen und vom übrigen See abgetrennt. Der IGB-Forscher Dr. Jens Nejstgaard entwickelte eine Methodik, um den Sturm zu simulieren und das Wasser in einigen Becken zu durchmischen. „Da die anderen Umweltbedingungen in allen Becken gleich waren, ermöglichte das Experiment mehrere Replikate und Kontrollen mit und ohne Durchmischung. Das ist ein einzigartiger experimenteller Aufbau. Der Stechlinsee selbst blieb von den Veränderungen unberührt“, so der Wissenschaftler.
Kaskade von länger anhaltenden ökologischen Veränderungen
Der simulierte Sturm transportierte Nährstoffe und Phytoplankton aus dem Tiefenwasser an die sonnenbeschienene Oberfläche, was zu einem sprunghaften Anstieg der Algenbiomasse führte. „In tiefen, klaren Seen wie dem Stechlinsee können bestimmte Algen auch in tieferen Wasserschichten verweilen, da dorthin gerade ausreichend Sonnenlicht durchdringt, aber mehr Nährstoffe vorhanden sind. Werden diese Algen und die Nährstoffe durch einen Sturm nach oben gewirbelt, können sie sich aufgrund der besseren Licht- und Nährsoffbedingungen massenhaft vermehren“, erläutert die IGB-Forscherin Dr. Stella Berger, die die Versuche im Seelabor zusammen mit ihrem Kollegen Dr. Jens Nejstgaard koordinierte.
Die Zusammensetzung der Algenarten und Mikroorganismen veränderte sich ebenfalls: Einige Algenarten wurden von Kleinstlebewesen gefressen, andere sanken zum Gewässergrund. Übrig blieben fädige Cyanobakterien, die sich infolge der Durchmischung massenhaft vermehrten – eine Algenblüte entstand. Cyanobakterien können für Mensch und Tier giftig sein.
Klimawandel: Auch in tiefen, klaren Seen steigt das Risiko von Algenblüten
Durch den Klimawandel nehmen Sommerstürme zu, eine neue Herausforderung für die Gewässer. „Durch die Erwärmung von Seen im Klimawandel steigt also nicht nur das Risiko von Algenblüten in nährstoffreichen flachen Seen. Auch tiefe, klare Seen sind durch zunehmende Sommerstürme in Gefahr, wie unsere Ergebnisse zeigen“, sagt IGB-Forscher Prof. Hans-Peter Grossart, der Erstautor der Studie. „Gerade diese Seen haben häufig einen besonderen Naturschutzwert, da sie in der Vergangenheit kaum von anthropogenen Einflüssen betroffen waren beziehungsweise sich von diesen erholt haben.“