Einblick
Nadja Neumann

Dagmar Frisch: „Das Seesediment als Zeitkapsel“

Dagmar Frisch leitet die neue IGB-Forschungsgruppe „Evolutionsökologie und Globaler Wandel”. Die Biologin ist allerdings kein neues Gesicht am IGB, denn sie forscht bereits seit 2021 am Institut. Wir haben ihr drei Fragen gestellt: eine fachliche, eine persönliche und eine, die ihrer Kreativität freien Spielraum lässt.

Die neue Forschungsgruppenleiterin am IGB, Dr. Dagmar Frisch. | Foto: David Ausserhofer/IGB

Frau Frisch, Sie beschäftigen sich mit winzigen, lebenden Zeitmaschinen. Die Eier von Wasserflöhen können Jahrzehnte am Gewässergrund überdauern und anschließend wieder zum Leben erweckt werden. Es schlüpfen tatsächlich lebendige Wasserflöhe aus ihnen. Was hilft der Blick in die Vergangenheit für Vorhersagen in die Zukunft?

Wir können durch die Wiederbelebung von historischen Dauereiern des Wasserflohs Daphnia (aber auch Dauerstadien von Ruderfußkrebsen, Rädertierchen, Algen und anderen) viel über ihre vergangenen Populationen lernen. Das Seesediment ist dabei eine Art Zeitkapsel, also ein Archiv für ein natürliches Langzeitexperiment, das die wechselnden Umweltbedingungen über Jahrzehnte oder Jahrhunderte widerspiegelt. Dabei ist besonders spannend, dass wir Prozesse über lange Zeiträume direkt beobachten können, zum Beispiel den Prozess der evolutiven Anpassung. So können wir minimale Veränderungen in der DNA der Populationen messen, die die Grundlage dafür sind, sich an neue Umweltbedingungen anpassen zu können. Das geschichtete Seesediment enthält auch Informationen, aus denen man Umweltveränderungen rekonstruieren kann: beispielsweise welche Planktonarten im Laufe der Zeit existierten, oder welche Schadstoffe im Wasser zu finden waren, und wie sich diese ebenfalls über die untersuchten Zeiträume verändert haben. Zusammen mit solchen Daten können wir untersuchen, welche Kapazitäten das Plankton hat, sich an Umweltveränderungen anzupassen, wie schnell diese evolutive Anpassung möglich ist, aber auch welche Grenzen sie hat. Zusammen können solche Informationen dann zum Beispiel für die mathematische Modellierung von Zukunftsszenarien genutzt werden.

Sie sind bereits seit vier Jahren am IGB und haben sich nun als Leiterin der neuen Forschungsgruppe noch stärker ans Institut gebunden. Was ist der Hauptgrund, dass es Ihnen hier gut gefällt?

Den einen Hauptgrund gibt es eigentlich gar nicht – das ist eher vielschichtig. Einer der wichtigen Aspekte ist natürlich das Thema Wasser, das uns am IGB verbindet, und das gemeinsame Ziel, mit unserer Forschung etwas zum Schutz unserer Gewässer und ihrer Biodiversität beizutragen. Mir gefällt hier außerdem auch besonders die Vielfalt auf verschiedenen Ebenen: die Internationalität und kulturelle Diversität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und die allgemeine Bandbreite der Forschung, von der Grundlagen- bis zur angewandten Forschung, mit viel Raum für gemeinsame Projekte. 

Wenn Sie selbst eine Zeitreise machen könnten, wo würde sie hinführen?

Das ist eine schwierige Frage. Eigentlich soll man ja keine Zeitreisen machen, weil es problematisch für die Zeitlinie ist. Im Ernst, ich fände es schon faszinierend, mit eigenen Augen zu sehen, ob gefiederte Dinosaurier der Kreidezeit tatsächlich bunt waren und welche Farben sie hatten.            

Selected publications
September 2025

Integrating historical sources for long-term ecological knowledge and biodiversity conservation

Laetitia M. Navarro; Chelsey Geralda Armstrong; Thomas Changeux; Dagmar Frisch; Graciela Gil-Romera; Dominik Kaim; Loren McClenachan; Catalina Munteanu; Péter Szabó; Viktor Baranov; Francisco Blanco-Garrido; J. Julio Camarero; María B. García; Molly Grace; Adam Izdebski; Naia Morueta-Holme; Francisco Pando; Rafael Schouten; Adam Spitzig; Jens-Christian Svenning; Anne-Sophie Tribot; Duarte S. Viana; Miguel Clavero
Nature Reviews Biodiversity. - 1(2025), 657–670