Pressemitteilung
Nadja Neumann

Nicht nur der Verdauungstrakt: Gewässer brauchen das richtige Mikrobiom

Studie zeigt: Berliner Gewässer tragen bakterielle Spuren der Stadtbevölkerung – mit potenziellen Risiken für ihren ökologischen Status
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben an Berliner Kleingewässern untersucht, wie die Herkunft des Wassers und die mikrobielle Gemeinschaft zusammenhängen. Dabei entdeckten sie Mikroorganismen, die auf einen hohen anthropogenen Einfluss hindeuten. Der Grund: Kleine Fließgewässer wie die Panke oder die Erpe, führen hauptsächlich geklärtes Abwasser – im Sommer macht es bis zu 100 Prozent der Gesamtabflussmenge aus. Welche Mikroorganismen in einem Gewässer vorkommen, beeinflusst den ökologischen Status, die Wasserqualität und die Biodiversität. Bei Renaturierungen sollten daher die Herkunft des Wassers und die Zusammensetzung des Mikrobioms stärker berücksichtigt werden.

Die Panke in Berlin besteht im Sommer hauptsächlich aus gereinigtem Abwasser. | Foto: Maria Warter

„Ein Gewässer braucht ebenso wie unser Darm ein funktionierendes Mikrobiom. Bakterien und andere Mikroorganismen bilden die Grundlage des Nahrungsnetzes, sind an Stoffwechselprozessen beteiligt und ermöglichen die Selbstreinigung von Gewässern“, sagt Maria Magdalena Warter, IGB-Forscherin und Erstautorin einer neuen Studie, die in der Fachzeitschrift Hydrology and Earth System Sciences erschienen ist.  Zu einem gesunden Gewässermikrobiom gehören bestimmte Bakterien, Archaeen und Mikroalgen.

Im Laufe eines Jahres analysierte das Forschungsteam von Maria Warter die Wasserströme, die Herkunft des Wassers, chemische Parameter und die mikrobielle Gemeinschaft an mehreren Probenahmestellen in den Berliner Flüssen Wuhle, Erpe und Panke sowie in städtischen Teichen. Mithilfe stabiler Isotope konnte das Team die Herkunft des Wassers bestimmen und mithilfe genetischer Methoden, der sogenannten Umwelt-DNA, den Nachweis von Mikroorganismen erbringen. Dabei stellte sich ein klarer Zusammenhang zwischen der Herkunft des Wassers und der Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaften heraus.

Während die Forschenden in der Wuhle und in urbanen Teichen Gewässerbakterien sowie Kiesel- und Grünalgen nachwiesen, fehlte in den Wasserproben von Erpe und Panke das typische aquatische Mikrobiom. „In diesen Flüssen fanden wir Bakterien, die auf einen höheren Anteil anthropogener Wasserquellen schließen lassen. Also Bakterien, die beispielsweise im menschlichen Darm vorkommen und in natürlichen Gewässern weniger häufig zu finden sind“, sagt IGB-Forscher Prof. Michael Monaghan, der die mikrobiologischen Proben in der Studie ausgewertet hat. Dies ist laut den Forschenden auf den hohen Anteil an geklärtem Abwasser zurückzuführen, das in diese Flüsse eingeleitet wird. 

Der Wasserhaushalt der trockenen Stadt Berlin wird stark von geklärtem Abwasser beeinflusst

In Berlin fallen pro Jahr nur etwa 580 Millimeter Regen. Mehr als die Hälfte davon geht dem Landschaftswasserhaushalt durch Verdunstung aus Boden und Pflanzen verloren. Ein erheblicher Teil des Wassers in vielen Fließgewässern ist daher geklärtes Abwasser. So besteht das Wasser der Erpe und der Panke je nach Jahreszeit zu 80 bis 100 Prozent daraus. Die Analysen der Forscher zeigten daher auch saisonale Unterschiede: Die Vielfalt des Mikrobioms war im Sommer geringer als im Winter. Das liegt daran, dass in Trockenperioden Grundwasser und Niederschlag eine geringere Rolle im Wasserhaushalt spielen als geklärtes Abwasser. Neben der Herkunft des Wassers hatte auch die Temperatur einen erheblichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Mikrobioms. Weitere Einflussfaktoren waren die Anteile von gelöstem Kohlenstoff und Sauerstoff.

Ein ungünstiges Mikrobiom kann die Wirksamkeit von Renaturierungsmaßnahmen verringern

Um die Wasserqualität und die Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu verbessern, wurden beide Fließgewässer in den letzten zehn Jahren umfassend renaturiert – Querbauwerke entfernt und Stillwasserzonen geschaffen. Zudem wurde der Flussverlauf teilweise in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt.

„Rein bauliche Veränderungen des Gewässers, wie die Entfernung von Uferbefestigungen, wirken sich zwar auf die Ästhetik aus und schaffen naturnahe Fließgewässerstrukturen und neue Lebensräume. Besteht das Gewässer jedoch zu fast 100 Prozent aus gereinigtem Abwasser, bleibt sein ökologisches Potenzial trotzdem potentiell begrenzt“, sagt Maria Magdalena Warter. Dies zeigte sich auch bei der Untersuchung anderer Organismengruppen. In beiden Gewässern fand das Forschungsteam eine geringe Artenvielfalt an Mikroalgen und Wasserpflanzen, die hauptsächlich aus Arten besteht, die eine hohe Nährstoffbelastung tolerieren.

Urbane Gewässer haben ein enormes Potenzial als naturbasierte Lösungen zur Unterstützung der Klimaresistenz, der Grundwasserbildung und der Wasserspeicherung

Gerade in Zeiten der Urbanisierung und zunehmender Klimaextreme sind Stadtgewässer für uns Menschen von enormer Bedeutung. Als naturbasierte Lösungen können sie den Wasserrückhalt erhöhen, die Grundwasserneubildung verbessern, den städtischen Wärmeinseleffekt abmildern und Grünflächen unterstützen. Gleichzeitig bringen sie einen großen Nutzen für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Stadtbevölkerung. Um städtische Gewässer jedoch nachhaltig nutzen und genießen zu können, sind anpassungsfähige Bewirtschaftungs- und Renaturierungskonzepte erforderlich. Künftige Renaturierungsmaßnahmen sollten mikrobielle Prozesse berücksichtigen, um ausgewogene Ökosysteme zu schaffen und die Wasserqualität zu verbessern.

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Methodische Herangehensweise:

Ein wichtiger neuer Aspekt dieser Studie war die Kombination aus engmaschigem Monitoring mittels Umwelt-DNA, Hydrochemie und stabiler Wasserisotope, das über ein ganzes Jahr in einem komplexen städtischen Umfeld durchgeführt wurde. Der dadurch entstandene Datensatz ist in seiner ökologischen und hydrologischen Breite einzigartig – insbesondere für städtische Systeme gibt es nur wenige vergleichbare Datensätze. Mithilfe dieses integrativen Ansatzes konnten die Wechselwirkungen zwischen Hydrologie und mikrobiellen Gemeinschaftsmustern erforscht und mit Klima- und Verstädterungseffekten in Verbindung gebracht werden.

Selected publications
März 2025

Diversification of macrophytes within aquatic nature-based solutions (NBS) developing under urban environmental conditions across European cities

Krzysztof Szoszkiewicz; Krzysztof Achtenberg; Robrecht Debbaut; Vladimíra Dekan Carreira; Daniel Gebler; Szymon Jusik; Tomasz Kałuża; Krister Karttunen; Niko Lehti; Silvia Martin Muñoz; Mariusz Sojka; Ana Júlia Pereira; Pedro Pinho; Jonas Schoelynck; Jan Staes; Doerthe Tetzlaff; Maria Magdalena Warter; Kati Vierikko
Ecological Indicators. - 172(2025), Art. 113331
Forschungsgruppe(n)