Fokus
Robert Arlinghaus

Artenschützer oder Störenfried?

Angler*innen wirken positiv auf die Fischartenvielfalt und engagieren sich im Gewässerschutz
Die Gesellschaft ist sich einig: Vögel, Frösche, Libellen und Fische gehören zum Wasser und sollen in möglichst hoher Artenzahl erhalten bleiben. Doch bei der Meinung zum Angeln herrscht weniger Eintracht. Ist es nicht so, dass Angler*innen mit ihrem archaischen Hobby die Natur stören? Forschende vom Projekt BAGGERSEE am IGB klären auf: Angler*innen stellen nicht nur Fischen nach, sie bewirtschaften über Vereine und Verbände auch die Gewässer. Und das hat Folgen: Die natürliche Artenvielfalt an beangelten Baggerseen ist mindestens genauso groß, oft sogar größer, als an unbeangelten Vergleichsseen. Das gilt vor allem für Fische.

Im Projekt BAGGERSEE wird in einem von Angler*innen bewirtschafteten Gewässer eine Flachwasserzone eingerichtet; als wertvoller Lebensraum beispielsweise für Jungfische. Foto: BAGGERSEE

Angler*innen fangen Fische, töten diese, und manchmal findet man beim Spaziergang sogar ihren Müll. Wo die anglenden Männer und Frauen mit ihren Ruten am Wasser auftauchen, polarisieren sie. Zudem treten Angler*innen in Konkurrenz mit Badenden, Bootfahrenden, Spaziergänger*innen und anderen Gewässernutzer*innen. Die Leistungen, die Angelvereine für den Artenschutz erbringen, bleiben erklärten Gewässerfreunden in der Regel ebenso verborgen wie die Fische, denen die Petrijünger nachstellen. Forschende des Projekts BAGGERSEE am IGB und der Humboldt-Universität zu Berlin sind nun der Frage nachgegangen, ob und wie das Angeln den Artenreichtum an Gewässern beeinflusst. Das Vorhaben wird gefördert vom Bundesforschungs- und Bundesumweltministerium sowie dem Bundesamt für Naturschutz.

Angler*innen als Störenfriede?

Durch die besondere Uferpflege, bei der ein Mosaik aus freigeschnittenen Angelstellen und Uferbewuchs entsteht, schaffen Angler*innen an Seen Licht und Uferlebensräume für wirbellose Tiere, Vögel und Pflanzen. Auch etablieren die fischereilichen Bewirtschafter in künstlich geschaffenen Baggerseen Fischpopulationen, die denen von Naturseen sehr ähnlich sind und im Vergleich zu anglerisch unbewirtschafteten Sand- oder Kieskuhlen sogar eine deutlich erhöhte Artenvielfalt aufweisen. „In von Angler*innen „besetzten“ Baggerseen schwimmen sieben bis elf verschiedene Fischarten, in angelerisch unbewirtschafteten Vergleichsseen nur drei bis fünf“, konstatiert der BAGGERSEE-Fischbiologe Sven Matern vom IGB. Das ist bedeutsam, denn etwa ein Drittel unserer heimischen Süßwasserfischarten ist stark bedroht.

Eine weitere aktuelle Studie zeigt: Andere wasserabhängige Tiere wie Libellen, Wasservögel, aber auch Wasser- und Uferpflanzen werden in ihrem Artenreichtum von Anglern nicht nennenswert beeinflusst. „Ihre Artenvielfalt unterschied sich nicht von den Bedingungen, die wir an unbeangelten Seen im Vergleich feststellen konnten“, erläutert der Projektleiter Professor Robert Arlinghaus. Auch konnten die Forschenden in einem bewirtschafteten Baggersee eine ganz besondere Armleuchteralge nachweisen: die Vielästige Glanzleuchteralge (Nitella hyalina), eine national vom Aussterben bedrohte Wasserpflanzenart. Gewässernutzung durch Angler*innen und der Biotopwert für den Naturschutz müssen sich nicht ausschließen.

Angler*innen als Bürgerwissenschaftler*innen

Zu den hier beschriebenen Ergebnissen kamen Forschende vom IGB und der Humboldt-Universität zu Berlin, in Zusammenarbeit mit Fischereibiolog*innen vom Anglerverband Niedersachsen e.V. und einer Vielzahl aktiver Angelvereine. Gemeinsam riefen sie das Projekt BAGGERSEE ins Leben, um herauszufinden, wie die aquatische Artenvielfalt an künstlichen Seen mit Hilfe von anglerischer Gewässerbewirtschaftung erhöht werden kann. In einer Vielzahl von Seen brachten die Angler*innen in Eigenregie Totholz ein oder schufen Flachwasserzonen, um der Artenvielfalt auf die Sprünge zu helfen. Angler*innen beteiligen sich aktiv in ihrer Freizeit und über gezahlte Mitgliedsbeiträge an den Forschungsarbeiten und Naturschutzmaßnahmen. In Workshops bilden sie sich zu den Erkenntnissen der BAGGERSEE-Forschenden fort.

Angler als illegale Fischaussetzer?

Doch was ist mit der Befürchtung von einigen Gewässerschützer*innen, dass gebietsfremde oder sogar invasive Arten wie Graskarpfen vermehrt durch Angler*innen im Wasser landen? Solche flächendeckenden Effekte konnte die Großstudie an insgesamt 27 Baggerseen in Niedersachsen nicht bestätigen. Nicht heimische Arten kamen selten und dann auch nur als Einzelexemplare vor. Unabhängig von der Bewirtschaftungsform fanden sich in wenigen Gewässern Exoten, die vermutlich von Teichbesitzer*innen oder Aquarianer*innen illegal ausgewildert wurden.

Angler*innen als lärmende Müllmacher?

Bleibt noch die Frage nach Müll und Lärm. Tatsächlich ist es so, dass Angelvereine durch das Anlegen von Wegen und Parkplätzen den Zugang zum Gewässer erhöhen. Als Konsequenz werden diese Orte auch von anderen Erholungssuchenden genutzt. Das führt laut den BAGGERSEE-Studien zu mehr Betrieb und Abfall am Wasser. Allerdings werden die unerwünschten Hinterlassenschaften bei Uferpflegeaktionen von Angler*innen auch regelmäßig wieder entfernt. An nicht bewirtschafteten Seen muss das die öffentliche Hand erledigen, oder – sofern privat – der Gewässerbesitzer in Eigenregie.

Angler*innen als Nutzer und Artenschützer

Anglerisch bewirtschaftete Gewässer weisen aktuellen Studien zufolge eine hohe biologische Vielfalt auf. Insbesondere fördern die Petrijünger die Etablierung naturnaher Fischpopulationen mit mehr Fischarten. Auch stark bedrohte Wasserpflanzen können zusammen mit Fischen und Anglern ko-existieren – und das trotz Karpfen und anderer, bodenwühlendender Arten, die Angler*innen gerne besetzen. Die gute Nachricht zum Tag der biologischen Vielfalt ist also: Naturschutz und Naturnutzung können Hand in Hand gehen. Zumindest beim Angeln.

Der Text wurde von Eva-Maria Cyrus und Robert Arlinghaus verfasst und vom Anglerverband Niedersachsen e.V. anlässlich des Welttags der biologischen Vielfalt am 22. Mai 2020 als Pressenachricht veröffentlicht.

 

Quellen:

Nikolaus, R., Schafft, M., Maday, A., Klefoth, T. Wolter, C., Arlinghaus, R. (2020). Status of aquatic and riparian biodiversity in artificial lake ecosystems with and without management for recreational fisheries: implications for conservation. Preprint doi: 10.1101/667493 (provisionally accepted with minor revisions in Aquatic Conservation: Marine and Freshwater Ecosystems).

Matern, S., Emmrich, M., Klefoth, T., Wolter, C.,Nikolaus,R., Wegener, N., Arlinghaus, R. (2019). Effect of recreational-fisheries management on fish biodiversity in gravel pit lakes, with contrasts to unmanaged lakes. Journal of Fish Biology, 94, 865–881.

Emmrich, M., Schälicke, S., Hühn, D., Lewin, C., Arlinghaus, R. (2014). No differences between littoral fish community structure of small natural and gravel pit lakes in the northern German lowlands. Limnologica, 46, 84–93. doi: 10.1016/j.limno.2013.12.005. 

Ansprechpersonen

Robert Arlinghaus

Forschungsgruppenleiter*in
Forschungsgruppe
Integratives Angelfischereimanagement

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