Ob in der Achselhöhle, im Gartenboden oder im Wasser – fast jeder Ort auf der Erde hat eine natürliche bakterielle Gemeinschaft. Indem der Mensch seine Umwelt verändert, verändert er auch die bakterielle Zusammensetzung nahezu aller Ökosysteme: Er schafft neue Bedingungen, die einige Bakteriengruppen gegenüber anderen begünstigen. In einer Untersuchung analysierten Wissenschaftler*innen von IGB und Leibniz-IZW zusammen mit Kolleg*innen aus dem Leibniz-Forschungsverbund „Infections“ diese mit der Verstädterung verbundenen Veränderungen in der Bakterienzusammensetzung und zeigten, dass sich die Bakteriengemeinschaften in städtischen Gewässern und Abwässern in Berlin deutlich von denen ländlicher Seen in den umliegenden Regionen der Bundesländer Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern unterscheiden. Darüber hinaus werden durch die Verstädterung nicht nur menschliche Bakterien eingeführt („Humanisierung“), sondern auch übermäßige Mengen an Nährstoffen („Eutrophierung“), chemischen Schadstoffen und antimikrobiellen Produkten wie Antibiotika. Diese komplexen Veränderungen begünstigen bestimmte Bakterien gegenüber anderen drastisch und können die Zusammensetzung und die Funktion des Mikrobioms erheblich verändern.
„Wir wollten wissen, ob städtisches Wasser ‚Signaturen der Verstädterung‘ aufweist, die Vorhersagen über das Auftreten bestimmter Bakterienstämme in einer mikrobiellen Gemeinschaft innerhalb von Städten zulassen“, sagt Prof. Hans Peter Grossart vom IGB, einer der Hauptautoren der Publikation. Die Ergebnisse zeigen, dass mehrere Bakteriengruppen in städtischen Gewässern angereichert sind, wobei die meisten anthropogenen Bakterienstämme in den Zu- und Abflüssen einer Kläranlage gefunden wurden, was auf eine „Humanisierung“ des Mikrobioms städtischer Seen und Fließgewässer hinweist.
„Überraschenderweise sind die angereicherten Bakteriengruppen in städtischen Umgebungen diejenigen, die häufig pathogene Arten enthalten. Das deutet darauf hin, dass ein Krankheitserreger, wenn er in eine solche Umgebung gelangt, ein sehr günstiges Umfeld vorfindet, in dem er wachsen kann“, sagt Prof. Alex Greenwood, Leiter der Leibniz-IZW-Abteilung für Wildtierkrankheiten und einer der Hauptautoren des Aufsatzes. Dies könne möglicherweise zu Ausbrüchen in solchen Umgebungen führen. Dies steht im Gegensatz zu ländlichen Gewässern, die eher ungünstige Bedingungen für Krankheitserreger bieten.
Die Autor*innen schließen aus ihrer Untersuchung, dass die Reinhaltung und Aufbereitung des städtischen Wasser in der Zukunft stärker auf Bakteriengemeinschaften und das Mikrobiom ausgerichtet werden müsse, um wieder natürlichere Wasserökosysteme zu schaffen. Dies werde zunehmend wichtiger und zugleich schwieriger werden, da durch den Klimawandel viele städtische Gebiete trockener und nährstoffreicher werden, wodurch sich die Bakteriengemeinschaften in städtischem Wasser noch extremer ändern werden. Dies könnte tiefgreifende Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und Tieren haben, da das Risiko einer Kontamination mit Krankheitserregern steigt.