Der Stechlinsee

Der Stechlinsee ist weithin bekannt für sein klares Wasser. Sichttiefen von acht bis zehn Metern sind keine Seltenheit. Dadurch kann sich das Phytoplankton – die im Wasser schwebenden, Photosynthese treibenden Algen und Cyanobakterien – nur wenig vermehren. Die Transparenz des Wassers wiederum begünstigt das Pflanzenwachstum auf dem Seegrund. Armleuchteralgen mit ihren geringen Lichtansprüchen dringen am weitesten in die Tiefe vor und können dort ausgedehnte unterseeische Wiesen bilden.

Der Stechlinsee ist einer der tiefsten und saubersten Seen Norddeutschlands. | © M. Feierabend

Das Gewässer

Algen- und andere Planktonarten kommen im Stechlinsee in vergleichsweise geringen Bestandsdichten vor. Dessen ungeachtet ist die Lebensvielfalt (Biodiversität) hier besonders groß. Etwa 1.200 Arten wurden insgesamt nachgewiesen. Sie bestimmen gemeinsam mit Umweltfaktoren wie Temperatur und Nährstoffverfügbarkeit die Beziehungen im Nahrungsnetz sowie die Stoffkreisläufe im Ökosystem See.

Typisch für den Großen Stechlin ist, neben seiner Klarheit, die hohe Sauerstoffsättigung auch im Tiefenwasser. Sie ermöglicht den raschen Abbau abgestorbener Biomasse in den unteren Wasserschichten und am Grund – dies selbst dann, wenn die sommerliche Schichtung (siehe Infobox) länger andauert. Im Sediment ist der Sauerstoff trotzdem bereits in wenigen Zentimetern Tiefe völlig aufgezehrt. Dann dominieren Gärungsprozesse und die Bildung von Methangas, von dem ein Teil an die Oberfläche aufsteigt und in die Atmosphäre entweichen kann.

Sommerliche Seenschichtung

Skizze Seenschichtung

In tiefen Seen wie dem Großen Stechlin schichtet sich im Sommer von der Sonne erwärmtes Oberflächenwasser über dem dauerhaft kalten Tiefenwasser ein. Das liegt an den temperaturbedingten großen Dichteunterschieden des Wassers. Bei 4 °C hat es seine größte Dichte und sinkt somit in die Tiefe. Wärmeres Wasser bleibt an der Oberfläche. Im Herbst, wenn sich die Temperatur durch Abkühlung an der Oberfläche im ganzen See angleicht, reicht die durch den Wind eingetragene Energie, um die oberen und unteren Wassermassen vollständig zu vermischen. Sauerstoff und Nährstoffe werden gleichmäßig im gesamten Wasserkörper verteilt. Somit stehen sie während der Schichtungsphase im nächsten Sommer wieder für die Produktion und den Abbau von Biomasse zur Verfügung.

Der Stechlinsee in Zahlen

  • Fläche: 425 ha (4,25 km²)
  • Wasservolumen: 97 Mio. m³
  • Uferlänge: 16,1 km
  • Mittlere Tiefe: 24 m
  • Maximale Tiefe: 69,5 m
  • Durchschnittliche Sichttiefe im Sommer: 8,4 m
  • Untere Wasserpflanzengrenze: 4-12 m

Leben im See

Der Stechlinsee zählt zu den nährstoffarmen Gewässern. Entsprechend gering ist die Primärproduktion – also der Aufbau von Biomasse durch photosynthetisch aktive Organismen – in der Freiwasserzone. Hier bilden mikroskopisch kleine, im Wasser schwebende Algen und Cyanobakterien (Blaualgen) das sogenannte Phytoplankton. Es ist die wichtigste direkte oder indirekte Nahrungsquelle für alle anderen Organismen im See, zu denen sowohl Algen fressende als auch räuberisch lebende Zooplankter, Wasserinsekten, Schnecken, Muscheln sowie Fische gehören. Abgestorbene Organismen und gelöste organische Substanzen werden von Mikroorganismen, vor allem Bakterien und Archaeen, zersetzt. Mineralische Nährstoffe werden dadurch wieder freigesetzt und den Primärproduzenten erneut verfügbar gemacht.

Aufgrund seiner hervorragenden Wasserqualität ist der Stechlinsee ein klassischer Maränensee. Die Kleine Maräne (Coregonus albula) macht fast 90 % des gesamten Fischbestands aus. Eine Besonderheit ist die nach Theodor Fontane benannte Fontane-Maräne (Coregonus fontanae), die weltweit nur im Stechlin vorkommt.

Im Uferbereich des Stechlinsees finden sich ausgedehnte Bestände von Wasserpflanzen. Charakteristische Arten sind Armleuchteralgen und Laichkräuter. Sie wachsen im lichtdurchfluteten See teilweise mehrere Meter tief unter der Wasseroberfläche und reichern ihn mit Sauerstoff an. Viele Wasservögel, z.B. die Krickenten, ernähren sich von den Wasserpflanzen. Andere Wasservögel dagegen leben von tierischer Nahrung. Dazu gehört auch die Schellente, das Wappentier des Naturparks Stechlin/Ruppiner Land. Diese scheuen Vögel brüten in Höhlen von ufernahen Bäumen. Sie gelten als Sinnbild für die enge Verzahnung des Seeökosystems mit den umgebenden Wäldern.

Im Fokus: Das Plankton

Mehr als 200 Arten photosynthetisch aktiver Planktonorganismen sind im Stechlinsee zu finden. Hinzu kommen zahlreiche Vertreter des tierischen, bakteriellen und viralen Planktons (Zoo-, Bakterio- und Virioplankton). Wegen ihrer großen Bedeutung für das Seeökosystem stehen diese Organismen im Fokus der IGB-Forschung. Ändern sich die Umweltbedingungen, werden auch die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaft und die im See ablaufenden Prozesse beeinflußt. Die Organismen gelten daher als wichtige Indikatoren für den Zustand des Ökosystems.

Gewinner und Verlierer des Klimawandels

Cyclotella tripartita

Cyclotella tripartita

Im Stechlinsee finden sich einige seltene Arten zentrischer Kieselalgen (Diatomeen). Zur kühlen Jahreszeit können sie den Hauptteil der Biomasse ausmachen. So bildet Stephanocostis chantaicus unter Eis große Populationsdichten, während Cyclotella tripartita das Frühjahrsplankton dominiertDiese Kaltwasserformen könnten durch eine Klimaerwärmung gefährdet werden.

Eurytemora lacustris

Eurytemora lacustris

Ein weiterer Verlierer könnte der Ruderfusskrebs Eurytemora lacustris sein. Das Eiszeitrelikt liebt kalte, tiefe, sauerstoffreiche Seen – Bedingungen, die es hier im Stechlinsee, ihrem südlichsten Verbreitungspunkt, derzeit noch findet.

 

Anabaena

Cyanobakterium Anabaena

Das Cyanobakterium Anabaena könnte zu den Gewinnern des Klimawandels gehören. Cyanobakterien kommen bei steigenden Temperaturen auf. Zudem mehren sich die Hinweise, dass gerade die giftigen Formen vom Klimawandel begünstigt werden. Cyanobakterien sind photosynthetisch aktive Organismen. Wegen ihres blauen Pigments, Phycocyanin, werden sie auch als „Blaualgen“ bezeichnet.

 Phacotus

Phacotus lenticularis

Auch die begeisselte Grünalge Phacotus lenticularis könnte vom Klimawandel begünstigt werden. Sie tritt verstärkt in Gewässern auf, wenn der Nährstoffgehalt klimabedingt ansteigt. Phacotus trägt aber auch dazu bei, Nährstoffe wieder im Sediment festzulegen: Denn an ihrem Panzer absorbiert Phosphat, was nach Absterben der Zellen in nahezu unlösbarer Form mit den Kalzithüllen ins Sediment transportiert wird. Phacotus tritt derzeit nur sehr vereinzelt im Stechlinsee auf.

Geschichte des Sees

Die Entstehung des Stechlinsees ist eng mit der Inlandvereisung und dem Rückzug der Gletscher am Ende der Weichselkaltzeit vor etwa 12.000 Jahren verbunden. Bis zu 1.000 Meter mächtig, formten die gewaltigen Eismassen im norddeutschen Tiefland ein abwechslungsreiches Relief aus ebenen Sanderflächen, welligen Grund- und hügeligen Endmoränen sowie zahlreichen Seenbecken.

Nach der letzten Eiszeit entwickelten sich der Stechlinsee und die umgebende Landschaft zunächst abhängig von den klimatischen Verhältnissen. Später gewannen menschliche Aktivitäten mehr und mehr Einfluss: Großflächige Rodungen und der Bau künstlicher Zu- und Abläufe hatten starke Auswirkungen auf den Wasserhaushalt und damit auch auf die Artenvielfalt im Gebiet.

In den 1930er Jahren wurde der Stechlinsee erstmals unter Schutz gestellt. Heute gehört ein Areal von mehr als 8.000 Hektar rund um den Stechlinsee zum Naturpark Stechlin-Ruppiner Land. Es ist außerdem Teil des europäischen Natura-2000-Schutzgebietsnetzes. Bedrohte Arten wie der Juchtenkäfer, die Mopsfledermaus, der Fischotter und die Europäische Sumpfschildkröte werden hier geschützt – und ihre Lebensräume dauerhaft erhalten. 

Erwärmung durch das KKW

Von 1966 bis 1990 wurde das Kernkraftwerk Rheinsberg nah am Stechlinsee betrieben. Durch dessen äußeren Kühlkreislaufes flossen täglich bis zu 300 Millionen Liter Wasser, die dem benachbarten Nehmitzsee entnommen wurden. Um etwa 10 Grad Celsius erwärmt, gelangte dieses Kühlwasser anschließend in den Stechlinsee. Die Auswirkungen dieser Wärmebelastung wissenschaftlich zu begleiten war der Gründungsauftrag des damaligen Forschungsinstituts am Stechlinsee, das jetzt zum IGB gehört. Die Forscher registrierten nicht nur höhere Wassertemperaturen bis weit in die Tiefe des Stechlinsees, sondern auch eine verschlechterte Wasserqualität mit deutlichen Eutrophierungszeichen.

Auch fast 25 Jahre nach Ende der künstlichen Wärmebelastung ist der Zustand des Sees nicht wieder wie zuvor: So nimmt seit den 1990er Jahren die Biomasse planktischer Algen im See signifikant zu. Noch lässt sich nicht sicher sagen, ob dies eine Langzeitfolge des Kernkraftwerksbetriebs ist. Eine Vermutung der IGB-Forscher ist, dass aus dem Sediment vermehrt Nährstoffe für das Algenwachstum freigesetzt werden.

Seen im Klimawandel

Eisformationen auf dem Stechlin

Der Stechlinsee ist an immer weniger Tagen im Jahr zugefroren. | © M. Feierabend

Erhöhte Temperaturen, geringere Niederschläge, veränderte Windverhältnisse oder vermehrtes Auftreten von Extremereignissen: Welche Folgen der Klimawandel für Ökosysteme hat, ist Gegenstand zahlreicher Forschungsprojekte weltweit. Wissenschaftler des IGB untersuchen die Auswirkungen der Klimaentwicklung auf einen Klarwassersee in Nordostdeutschland, den Stechlinsee. Mit ihren Erkenntnissen wollen sie generelle Rückschlüsse über die Folgen für Seen ziehen. Die Forscher gehen davon aus, dass der Klimawandel viele Eigenschaften des Sees beeinflusst: das Schichtungsverhalten, die Nährstoffverfügbarkeit, Stoffumsatzraten, die Vielfalt und Zusammensetzung der Organismen oder die Konzentration des Sauerstoff im Tiefenwasser, um nur einige Beispiele zu nennen.

Auch vor dem Stechlinsee macht der Klimawandel nicht Halt. Im Laufe der letzten 50 Jahre hat sich sein Oberflächenwasser um mehr als 1,5°C erwärmt. Das zeigen die Langzeitmessungen. Ferner ändert sich die Dauer der Schichtungsphasen: Durch die wärmeren Wintertemperaturen setzt die sommerliche Schichtung heute bereits früher ein als in den vergangenen Jahrzehnten. Die Wissenschaftler registrieren zudem, dass der Stechlin an immer weniger Tagen im Jahr mit Eis bedeckt ist. Dieser Trend wird sich laut Modellrechnungen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts noch verstärken und dazu führen, dass die winterliche Schichtungsphase wegfällt.

Ein besonders wichtiger Faktor, der die Eigenschaften von Seen prägt, ist der Sauerstoffgehalt. Erhöht sich die Wassertemperatur, nimmt die Löslichkeit des Gases im Wasser – ganz anders als wir es von Salz oder Zucker kennen – spürbar ab. Gleichzeitig beschleunigen wärmere Temperaturen den Stoffwechsel der Lebewesen im See. Bereits dadurch wird der Sauerstoff im Tiefenwasser aufgezehrt. Wenn Algen darüber hinaus mehr Biomasse bilden, steht auch für die Abbauvorgänge vermehrt organische Substanz zur Verfügung, was den Sauerstoff noch weiter schwinden lässt. Kommt es im Extremfall während der sommerlichen Schichtungsphase zu sauerstofffreien Verhältnissen in der Tiefe, ändert sich dort die Zusammensetzung der Organismen markant. Fischen und wirbellosen Tieren geht der Lebensraum vollständig verloren, und selbst die Zusammensetzung der Mikroorganismen verschiebt sich dramatisch.

Natur- und Gewässerschutz

Fischschwarm im Stechlin

Fischschwarm im Flachwasser. | © M. Feierabend

Rund um den Stechlinsee gibt es eine lange Tradition der Naturschutzarbeit und der naturkundlichen Forschung. Bereits seit 1938 steht der See unter Naturschutz. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde das Naturschutzgebiet Stechlin auf eine Gesamtfläche von 8670 ha erweitert und ist heute das Kerngebiet des Naturparks Stechlin-Ruppiner Land. Hier finden sich dreizehn der 91 in Deutschland gelisteten, europaweit gefährdeten Lebensraumtypen der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Dieses EU-Instrument stellt wissenschaftlich definierte Lebensräume unter besonderen Schutz, um bedrohte Arten und damit die Artenvielfalt zu erhalten. So erfahren seltene Käfer wie der Eremit, zahlreiche Fledermaus- und Amphibienarten aber auch die nur im Stechlinsee vorkommende Fontane-Maräne besonderen Schutz. Das europäische Schutzgebietsnetzwerk NATURA 2000 weist das Gebiet zudem als EU-Vogelschutzgebiet aus. Davon profitieren bedrohte Vögel wie die Große Rohrdommel, der Gänsesäger, die Schellente und der Fischadler.

Der Gewässerschutz gehört zu den vorrangigen Zielen im Naturpark. Das 2005 abgeschlossenen EU-Life-Projekt zur Sanierung der Klarwasserseen, Moore und Moorwälder im Stechlinseegebiet stabilisierte den Wasserhaushalt und reduzierte die Nährstoffbelastung. Dafür wurden zum Beispiel künstlich angelegte Entwässerungsgräben verschlossen. Die Menge des abgeleiteten Wassers verringerte sich, die umliegenden Moore wurden wieder vernässt. Dennoch besteht weiterhin großer Handlungsbedarf. Die ökologische Bestandsaufnahme sowie die fortgesetzte Prüfung der Wasserqualität der Seen helfen, negative Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen und den Schutz des Gebiets durch geeignete Gegenmaßnahmen langfristig sicher zu stellen. Die langjährigen Datensammlungen des IGB in Neuglobsow für den Stechlinsee sind dabei von unschätzbarem Wert.

Im Mittelpunkt des Schutzgebietsmanagements steht die nachhaltige Entwicklung der Stechlinseeregion. Ihre einzigartige Natur und Landschaft ist Grundlage für den Naturtourismus – und deshalb nicht nur aus Naturschutz-, sondern auch aus wirtschaftlichen Interessen dauerhaft zu bewahren. Der Naturpark soll attraktiv für Einwohner, Urlauber, Naturfreunde, Hobbyfotografen und Taucher bleiben. Ausgehend vom NaturParkHaus Stechlin in Menz, dem Besucherzentrum des Naturparks, sensibilisieren Führungen und Infotafeln für die Einmaligkeit, aber auch für die Verletzlichkeit der Stechlinseelandschaft. Sie werben um Verständnis für einige Verbote im Schutzgebiet, die unvermeidbar sind, um die Schönheit und den Wert des Stechlins für nachfolgende Generationen zu bewahren.

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