Pressemitteilung
Angelina Tittmann

So fliegen die Motten zum Licht

Straßenleuchten wirken wie Barrieren in der Nachtlandschaft
Nächtliche Beleuchtung verändert das Verhalten von Tieren. Eine Studie unter Leitung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) zeigt, dass Nachtfalter – umgangssprachlich auch „Motten“ – in einem Radius von etwa 23 Metern von einer Straßenleuchte angelockt werden. Wie viele Tiere angezogen werden, hängt von der Position der Leuchte ab: An der Grenze zu dunkleren Zonen fliegen mehr Nachtfalter zum Licht als im Zentrum eines Areals, in dem viele Lampen stehen. Bei den in Europa üblichen Abständen der Masten sind die Nachtlandschaften für Nachtfalter wie „zerschnitten“. Die angelockten Tiere verlieren wertvolle Zeit und Energie an den Leuchten, so dass die zunehmende Beleuchtung bei Nacht ein Grund für ihren Rückgang sein kann.

Die Lichtkarte von Berlin zeigt beispielhaft das Ausmaß von Straßenbeleuchtung in Großstädten. | Foto: Chris Kyba/FU Berlin & IGB

Motten fliegen zum Licht – das weiß jedes Schulkind. Bisher wussten Wissenschaftler jedoch nicht, in welcher Entfernung die Tiere von Straßenbeleuchtung angezogen werden, welche Faktoren dabei eine Rolle spielen und ob es dadurch zu einer Barrierewirkung bei der Ausbreitung von Nachtfaltern kommt. Dies ist eine wichtige ökologische Fragestellung, denn angesichts von acht bis neun Millionen Straßenleuchten allein in Deutschland werden Milliarden von Insekten täglich in ihrem Verhalten beeinflusst. So verändern sich ganze Nahrungsnetze und ökologische Prozesse – ungesehen – während der Nacht. Für Ökosysteme sind Nachtfalter dabei von besonderer Bedeutung: sie bestäuben Pflanzen und sind eine wichtige Nahrungsquelle für andere Tiere.

Dr. Franz Hölker leitet am Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) den Forschungsverbund „Verlust der Nacht“, der sich mit den ökologischen, gesundheitlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Lichtverschmutzung beschäftigt. Seine Arbeitsgruppe hat im Westhavelland ein Experimentierfeld installiert. Dort, siebzig Kilometer nordwestlich von Berlin, gibt es kaum Lichtverschmutzung. Die Nächte sind hier fast so dunkel wie vor der Einführung der elektrischen Beleuchtung, so dass man die Milchstraße und manchmal sogar Polarlichter sehen kann. Ein Anblick, der sonst deutschlandweit kaum noch möglich ist.

Beleuchtungsfeld im Westhavelland

Das IGB-Beleuchtungsfeld im Westhavelland: Hier testen IGB-Wissenschaftler die Auswirkungen von Straßenlaternen. | Foto: Stefan Heller/IGB

In diesem Landstrich haben Hölker und seine Kollegen in einem begrenzten Areal Straßenleuchten und Insektenfallen aufgebaut. Über zwei Jahre analysierten die Forscher, wie sich nächtliche Beleuchtung auf nachtaktive Insekten auswirkt. Sie konnten zeigen, dass Straßenleuchten wie Staubsauger die Nachtfalter in einem Umkreis von etwa 23 Metern anziehen. „Dabei fanden wir mehr Tiere an den Randleuchten als an den Leuchten im Inneren des Beleuchtungsfeldes“, sagt Tobias Degen, Erstautor der Studie. „In Europa liegen die Abstände der Masten in der Regel zwischen 25 und 45 Metern. Wir rechnen deshalb in vielen Fällen mit einer erhöhten Barrierewirkung bei der Ausbreitung von Nachtfaltern“, fasst Franz Hölker zusammen. Wandernde Tiere würden dadurch wertvolle Zeit und Energie verlieren, die ihnen bei der Futtersuche und für eine erfolgreiche Fortpflanzung nicht mehr zur Verfügung stünden. Um bedrohte Nachtfalterpopulationen zu schützen, empfehlen die Autoren, störendes Licht in den primären Lebensräumen der Tiere zu reduzieren.

Die Studie wurde durch das BMBF (033L038A) im Rahmen des Projektes „Verlust der Nacht“ gefördert und durch das BfN (3514821700) unterstützt.

Ansprechpersonen

Franz Hölker

Programmbereichssprecher*in
Forschungsgruppe
Lichtverschmutzung und Ökophysiologie