Ein internationales Forschungsteam hat in einer aktuellen Fachveröffentlichung die möglichen Auslöser für die beobachteten Massenentwicklungen von Fadenalgen in sauberen Seen zusammengetragen. Diskutiert werden lokale und globale Einflüsse: zunehmende Nährstoffeinträge, der Verlust fadenalgenfressender Wassertiere, der Klimawandel und invasive Arten.
Über die ökologischen Auswirkungen ist wenig bekannt; für Badende gibt es Risiken
Fadenalgen sind keine einzelne Art, viele verschiedene Arten werden aufgrund ihres Aussehens unter diesem Begriff zusammengefasst. Die Massenansammlungen von Fadenalgen können Gemeinschaften anderer Lebewesen auf dem Seeboden gefährden und die Nahrungsnetze verändern; viele der möglichen Auswirkungen kennen die Forschenden jedoch noch nicht. Für Badende sind die grünen Algenteppiche nicht nur unansehnlich – in ihnen können sich auch Giftstoffe von Cyanobakterien anreichern. Hunde scheinen von dem fischigen Geruch der Algen angezogen und laufen dann Gefahr, die Giftstoffe aufzunehmen. „Auch in Deutschland gibt es Probleme mit Massenentwicklungen von Fadenalgen an einigen Seen“, sagt IGB-Forscherin Dr. Sabine Hilt, Co-Autorin der Studie.
Bisheriges Paradigma: Stickstoff- und Phosphor begünstigen die Algenentwicklung
Massenentwicklungen von Algen waren bislang vor allem ein Phänomen in Seen mit hohen Einträgen an Stickstoff und Phosphor. Diese Nährstoffe gelangen meist über die Landwirtschaft oder städtische Abflüsse in Gewässer und fördern das Algenwachstum.
Als typisch für klare und nährstoffarme Seen hingegen galten Algenarten, die unscheinbar sind – langsam und in tieferen Gewässerschichten wachsen, wo aufgrund der Klarheit des Wassers immer noch genug Licht hinkommt. „Wir sind sehr erstaunt, dass Seen, um die wir uns als Ökologinnen und Ökologen bisher kaum Sorgen machen mussten, nun von Fadenalgenblüten in der flachen Uferzone betroffen sind“, äußert Sabine Hilt.
Auch klare Seen sind zunehmend mit Nährstoffen belastet: Beispiel Baikalsee
Fadenalgen haben einen höheren Nährstoffbedarf, insbesondere für Nitrat und Ammonium als die kleineren, langsam wachsenden Arten, die sie ersetzen. Tatsächlich ist es so, dass in einigen ehemals klaren und nährstoffarmen Seen in den letzten Jahren die Nährstoffzufuhr zugenommen hat. Ein Beispiel ist der Baikalsee in Sibirien – bekannt für seinen unvergleichlichen Reichtum an Tier- und Pflanzenarten. Diese Artenvielfalt ist bedroht, denn die Masse an Fadenalgen hat sich in den letzten zehn Jahren verfünffacht. Ein möglicher Grund dafür sind Stickstoff- und Phosphoreinträge aus unbehandelten menschlichen Abwässern, die in den See eingeleitet werden. Auch Waldbrände haben bewirkt, dass mehr Nährstoffe aus dem Umland in den See gelangten.
Fadenalgenfressende Kleinstlebewesen fehlen
Die Hauptautorin Dr. Yvonne Vadeboncoeur, Professorin an der amerikanischen Wright State University, ist besorgt darüber, dass der weit verbreitete Einsatz von Pestiziden oder andere Stressfaktoren Kleinstlebewesen im Gewässer abtöten. Auch dieser Prozess könnte dazu beitragen, dass Fadenalgen sich ausbreiten, anstatt gefressen zu werden.
Durch den Klimawandel werden Fadenalgenblüten allgemein zunehmen
Ein anderer Autor der Studie, Dr. Sudeep Chandra von der amerikanischen Universität Nevada, weist darauf hin, dass Fadenalgen in klaren Bergseen im Westen der USA auftreten, weil die Wassertemperaturen steigen und die Sommer länger werden. Im Lake Tahoe hängt das zunehmende Vorkommen ausgedehnter Fadenalgenblüten in den flachen Uferzonen mit der kürzeren Schneebedeckung und den Veränderungen des unterirdischen Wasserflusses durch den Klimawandel zusammen. Diverse indirekte Effekte, beispielsweise auf die Struktur von Nahrungsnetzen, sind dabei oft stärker in ihren Auswirkungen als die direkt durch die Temperatur verursachten Veränderungen.
Invasive Zebramuschel verbessert Lebensbedingungen für Fadenalgen
In den Großen Seen in Nordamerika hat sich vor 30 Jahren die gebietsfremde Zebramuschel stark ausgebreitet. Die kleinen Schalentiere leben von frei schwebenden Organismen im Wasser – dem Plankton – und machen die darin gebundenen Nährstoffe für Fadenalgen verfügbar. Die starke Ausbreitung der Zebramuschel ging daher mit Massenentwicklungen von Fadenalgen in den Uferzonen einher.
Bürger*innen könnten beim Monitoring hilfreich sein
„Unsere Übersichtsstudie legt nahe, dass vielfältige Umweltstressoren das Phänomen beeinflussen. Wir wissen aber noch viel zu wenig darüber, wo und in welchem Ausmaß sich Fadenalgen stark ausbreiten. Für die meisten Langzeituntersuchungen werden Wasserproben in der Mitte des Sees entnommen und und hinsichtlich des Planktons untersucht, während das Ufer bisher weniger im Fokus stand. Das muss sich ändern. Fadenalgenentwicklungen zu beobachten ist jedoch komplex, da ihre Vorkommen heterogen und oft lokal begrenzt sind. Daher könnten auch Laienforscher – Citizen Scientists – hilfreich sein, die ihre Beobachtungen per Handy teilen. Auch die Nutzung von Fernerkundungsmethoden wird sicher an Bedeutung gewinnen“, so der Ausblick von Sabine Hilt.