Blitzlicht
Nadja Neumann

Erfolgreich überleben ohne Sex

Sie vermehren sich durch Jungfernzeugung; ihre Nachkommen sind hundertprozentige Klone der Mutter. Nach den gängigen Theorien müsste der Amazonenkärpfling deshalb längst ausgestorben sein. Warum das nicht so ist, klärt eine neue Studie, die anhand genetischer Untersuchungen von Mitochondrien der Fische zeigen konnte, dass die rein weiblichen Amazonenkärpflinge entwicklungsgeschichtlich schon sehr lange überlebt haben.

Beim Amazonenkärpfling (Poecilia formosa) gibt es nur weibliche Exemplare (links im Bild), die sich durch Jungfernzeugung fortpflanzen. Dafür benötigen sie Spermien fremder Arten, die jedoch genetisch nicht zu den Nachkommen beitragen – im Bild rechts ein Männchen des Segelflossen-Kärpflings, P. latipinna. Die natürlichen Klone von P. formosa werden am IGB auch in der Verhaltensforschung untersucht. | Foto: Manfred Schartl / Universität Würzburg

Exkurs zur ungeschlechtlichen Vermehrung

Zwei Aspekte sprechen im Wesentlichen dagegen, dass Arten, die sich ungeschlechtlich vermehren, dauerhaft existieren können: In jedem Erbgut treten irgendwann einmal Fehler auf. Bei Lebewesen, deren Nachkommen reine Klone sind, müssten sich diese Fehler über die Generationen hinweg akkumulieren, bis es irgendwann keine gesunden Individuen mehr gibt. Was ebenfalls gegen ein langes Überleben spricht: Diese Arten können sich wegen der fehlenden Neukombination ihres Erbgutes in der Regel nicht so schnell an veränderte Umweltbedingungen anpassen wie ihre Konkurrenten, die sich auf geschlechtliche Weise fortpflanzen. Im Laufe der Evolution, bei der das Prinzip survival of the fittest (Überleben der Geeignetsten) gilt, sollten sie deshalb innerhalb weniger Generationen den Kürzeren ziehen.

Der gesunde, asexuelle Amazonenkärpfling

„Die vollständigen mitochondrialen DNAs zeigen nicht nur eine eindeutige Signatur, dass nur ein einziges oder sehr wenige Hybridisierungsereignisse zwischen beiden Elternarten zur Entstehung der rein weiblichen Amazonen-Mollys führten, sondern bestätigten auch ihr Alter von etwa 100.000 Jahren – viel älter als evolutionstheoretische Vorhersagen dies für asexuelle Fische vorhersagen würden“, erklärt Ko-Autor und IGB-Wissenschaftler Dr. Matthias Stöck. Die AutorInnen der Studie haben im Genom des Amazonenkärpflings wenige Anzeichen einer genetischen Degeneration gefunden, sondern vielmehr eine einzigartige genetische Variabilität und deutliche Beweise für eine fortlaufende Evolution. Wohl ein Grund dafür, dass der Amazonenkärpfling nicht das übliche Schicksal ungeschlechtlich sich fortpflanzender Organismen teilt: nämlich ein leichtes Opfer von Krankheitserregern zu sein.

Weitere Ergebnisse der Studie finden Sie auf den Seiten der Universität Würzburg. 

Oder lesen Sie die komplette Studie Open Access in Nature Ecology & Evolution >

Wesley C. Warren et al. (2018) Clonal polymorphism and high heterozygosity in the celibate genome of the Amazon molly, Nature Ecology & Evolution, 2, doi:10.1038/s41559-018-0473-y

Ansprechpersonen

Matthias Stöck

Forschungsgruppenleiter*in
Forschungsgruppe
Genetik und Evolution von Fischen (und anderen Wirbeltieren)

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