Blitzlicht
Nadja Neumann

Erster umfassender Einblick in die Welt des unerforschten Fontibacteriums

Ein Forschungsteam unter der Leitung des Biologiezentrums der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, dem auch Forscher des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) angehören, hat bedeutende Fortschritte in der Identifizierung der Bakteriengattung Fontibacterium erzielt, die sowohl in Süßgewässern als auch im Meer weit verbreitet ist. In einer aktuellen Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Nature Microbiology haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Stammbaum von Fontibacterium bestimmt, zwei neue Arten beschrieben und deren Lebensweise analysiert.

Hans-Peter Grossart am Stechlinsee. | Foto: David Ausserhofer

Fontibakterien spielen eine entscheidende ökologische Rolle in Süßgewässern weltweit. Sie kommen in fast allen Gewässertypen vor und sind damit wichtiger Teil aquatischer Nahrungsnetze und Stoffwechselprozesse. In ihrem Artikel präsentieren die Forschenden sieben Isolate von Süßwasser-Fontibacterium, welche zwei bisher unbeschriebene Arten aufweisen. Im Rahmen der Stammbaumanalyse isolierten sie zudem 93 qualitativ hochwertige Metagenom-Assemblierte Genome (MAGs). 

„Das war eine echte Herausforderung“, sagt IGB-Mikrobiologie Prof. Hans-Peter Grossart, einer der Autoren der Studie- „Denn ähnlich wie ihre marinen Vorfahren besitzen die Süßwasser-Fontibakterien stark reduzierte Genome mit unvollständigen oder fehlenden Stoffwechselwegen.“ Das erschwere ihre Kultivierung im Labor: „Beispielsweise wachsen sie schlecht, wenn stickstoffreiche Aminosäuren fehlen. Durch die erfolgreiche Kultivierung neuer Arten schließt unsere Studie eine bedeutende Wissenslücke.“  

Darüber hinaus erweiterten die Forschenden den geografischen Umfang der verfügbaren genomischen Süßwasserdaten durch qualitativ hochwertige MAGs aus bisher unzureichend untersuchten Regionen in Afrika, Asien, Australien und Südamerika. Die Ergebnisse zeigen, dass die Verbreitung verschiedener Fontibacterium-Arten stark von der Temperatur und dem Breitengrad abhängt. „So könnte ein Anstieg der globalen Temperaturen zu einer Umverteilung dieser Arten führen, wobei sich womöglich an größere Wärme angepasste Arten in gemäßigten Zonen ausbreiten. Diese Frage unterstreicht die umfassenderen ökologischen Implikationen unserer Ergebnisse, die die mikrobielle Biogeographie mit der globalen Klimadynamik verknüpfen“, sagt Hans-Peter Grossart. 

Ein wichtiger Bestandteil der Studie war der Metagenom-Datensatz „LIMNOS” des IGB. Dieser umfasst über 1.000 Metagenomproben, die zwischen 2011 und 2020 aus vier Seen in Nordostdeutschland gewonnen wurden. Die Proben wurden jeden Monat aus dem Epilimnion der vier Seen (Stechlin, Fuchskuhle, Breiter Luzin und Tiefwaren) sowie aus dem Hypolimnion des Stechlinsees entnommen. Die Studie umfasst zudem Proben aus den Jahren 2004–2008 sowie zweiwöchentlich entnommene Proben aus dem Stechlinsee (2020) und Wassersäulenprofile aus der Großen Fuchskuhle (2019). Mithilfe dieser Daten kann die Rolle öko-evolutionärer Prozesse für die Persistenz und Anpassung von Mikroorganismen unter Umweltveränderungen untersucht werden.

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