Fokus
Nadja Neumann

„Was Spaß macht, wird einfach besser“

Dörthe Tetzlaff ist seit August 2017 Leiterin der Abteilung Ökohydrologie am IGB und Professorin für Ökohydrologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zuvor arbeitete sie sieben Jahre als Professorin für Hydrologie und Landschaftsökologie an der Universität Aberdeen in Schottland.

Dörthe Tetzlaff leitet die Abteilung 1: Ökohydrologie am IGB und die Arbeitsgruppe Landschafts-Ökohydrologie. | Foto: privat

Woran forschen Sie?

Das grundlegende Ziel meiner Forschung ist, die zeitlichen und räumlichen Variabilitäten im ökohydrologischen „Verhalten“ von Einzugsgebieten besser zu verstehen. Ich analysiere die physikalischen Prozesse, die den Abfluss in Gewässern hervorrufen, um herauszufinden, wie diese Prozesse die Hydrochemie und Hydroökologie von Gewässern beeinflussen. Eine Kernfrage ist: „Was passiert, wenn es regnet?“ In meiner Forschung integriere ich empirische und Modellierungsansätze, um die Interaktionen zwischen physischen und ökologischen Prozessen zu quantifizieren sowie Sensitivitäten von Einzugsgebieten in Bezug auf Umweltveränderungen abschätzen zu können.

Was fasziniert Sie an Ihrem Forschungsgebiet?

Ich liebe die Natur und ich liebe Wasser. Mein Forschungsgebiet gibt mir regelmäßig eine wunderbare „Ausrede“, viel Zeit in und mit beidem zu verbringen. Es fasziniert mich, wie unsere komplexe Natur doch durch relativ „einfache“ physikalische Gesetze beschrieben werden kann, aber auch, wie wichtig es ist, das Untersuchungsgebiet zu kennen und wirklich erlebt zu haben. Ein solches Verständnis formt dann die Basis für ein nachhaltiges Management unserer Wasserressourcen. 

Warum zog es Sie ans IGB nach Berlin?

Die Interdisziplinarität und Möglichkeiten, die das IGB bietet, unter anderem natürlich auch durch seine so zentrale Lage im Berliner Wissenschaftsraum. Der Standort im Herzen Deutschlands und Europas bietet einmalige Möglichkeiten. Das IGB ist international bekannt für seine Gewässerforschung, und ich war begeistert, dass mir die Möglichkeit gegeben wurde, ein Mitglied dieses interdisziplinären Teams zu werden. 

Was ist Ihnen als erstes (zweites, drittes) am IGB aufgefallen?

Die freundliche und kollegiale Atmosphäre fiel mir sofort auf. Man kommt einfach gerne zur Arbeit ans IGB – und das ist doch wunderbar! 

Vermissen Sie etwas, wenn Sie an Schottland denken?

Am meisten vermisse ich die wunderschönen Flusslandschaften und Seen, die Möglichkeit, wirklich wilde Lachse in den Flüssen springen zu sehen, den blauen Himmel (wenn die Sonne scheint), die klare Luft, die Berge, die hellgrünen Buchen im Frühling, die lila blühende Heide im Sommer und die orange-gelben Birken im Herbst – und die Leere der Landschaft. Ich bin mir bewusst, das alles klingt wahrscheinlich übertrieben romantisch, aber Schottland ist wirklich ein wunderschönes Land – für jeden Natur- und Umweltwissenschaftler ein Traum.

Warum ist die Forschung so ein spannendes Berufsfeld?

Forschung ist unheimlich vielfältig und spannend für neugierige Menschen, die einfach nicht aufhören können (und wollen) nachzufragen und Neues wissen zu wollen. Es ist die Freude herauszufinden, wie die Natur „funktioniert“. Meistens findet man immer etwas ganz Anderes heraus, als man am Anfang erwartet hat. In meinen Augen ist jede Messung eine gute Messung, und alle Daten sind interessante Daten. 

Was macht ein gutes Forschungs- und Arbeitsumfeld aus?

Möglichkeiten, Vertrauen und Verlässlichkeit: Möglichkeiten, um Ideen und Visionen umsetzen zu können. Vertrauen in die KollegInnen und Kooperationspartner. Verlässlichkeit – dass man sich einfach blind aufeinander verlassen kann. Das ist dann die Grundlage für gute Forschung, die Freude bringt. Und was Spaß macht, wird einfach besser. Gibt es etwas Schöneres, als sich auf Projektmeetings zu freuen, weil man seine Freunde wiedersieht und es Freude bringt, Neues über unsere Umwelt herauszufinden, was uns dann ermöglicht, unsere Umwelt und Gewässer besser zu managen – und das ist dann „Arbeit“?

Was sind Ihrer Meinung nach die aktuellen Herausforderungen in der Forschungspolitik?

Ich habe 15 Jahre in einem Land gearbeitet und geforscht, wo es begrenzte finanzielle Unterstützung für Forschung gab. Daher kommt mir Deutschland im Moment wie ein „Wissenschaftsschlaraffenland“ vor. Allerdings sind gute finanzielle Unterstützung und Ausstattung nicht dauerhaft gesichert, und das ist eine Gefahr. Zusätzlich ist zu viel Administration eine Barriere in meinen Augen: Neuartige, bahnbrechende Forschung braucht häufig schnelle und kurzfristige Aktionen und Reaktionen. 

Welche Frage von Studierenden beantworten Sie am liebsten?

Bisher habe ich hauptsächlich im geowissenschaftlichen Bereich gearbeitet. Dort gibt es in den Senior-Positionen nach wie vor ein starkes Ungleichgewicht bezüglich der Geschlechterverteilung. Die Mehrzahl der Doktorandinnen und Postdoktorandinnen hat keine weibliche Supervisorin oder Vorgesetzte. Ich versuche, die jungen Frauen zu ermutigen, Fragen zu stellen, die sie sonst vielleicht nicht fragen würden oder können. So werde ich sehr oft gefragt: „Kann man überhaupt Karriere und Familie vereinbaren, und wenn ja, wie?“ Ich schätze diese Frage, da sie mir die Möglichkeit gibt zu antworten: „Natürlich! Seid euch bewusst, auch ihr könnt alles haben, wenn ihr es denn so möchtet. Karriere und Familie schließen sich nichtaus. Es benötigt allerdings Kreativität, Flexibilität und Prioritätensetzung, um beides unter einen Hut zu bringen. ‚Lean in‘, wie Sheryl Sandberg sagen würde, und macht, was ihrfür richtig haltet!“ Natürlich hilft es, wenn man einen Partner hat, der einen unterstützt. 

Was wünschen Sie sich für Ihre Abteilung?

Ich schätze und respektiere alle Mitarbeitenden meiner Abteilung sehr. Jede und jeder Einzelne ist wichtig, um das Ganze gut zu machen. Ich möchte die exzellente Forschung meiner KollegInnen unterstützen und unsere Position als ein weltweit führendes Zentrum für Wissenschaftsexzellenz in ökohydrologischer Forschung stärken. Ich wünsche mir, dass wir die motivierende, kollegiale und inspirierende Arbeitsatmosphäre für alle Mitarbeitenden in der Abteilung erhalten können. Es gibt so viele wunderbare, faszinierende Ideen: Ich bin überzeugt, wir können diese zusammen umsetzen und realisieren.

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