Blitzlicht

Oder: Salzbelastung als wichtige Bewirtschaftungsfrage

IGB gibt Feedback in IKSO-Konsultation zum 4. WRRL-Bewirtschaftungszeitraum
Die Internationale Kommission zum Schutz der Oder (IKSO) hat um Stellungnahmen zu den wichtigen Wasserbewirtschaftungsfragen für den 4. Bewirtschaftungszeitraum der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) gebeten. In ihrem Feedback empfehlen die IGB-Forschenden, die industrielle Salzbelastung zu einer wichtigen Wasserbewirtschaftunsfrage zu machen. Hintergrund ist die Tatsache, dass nur so der giftbildenden Brackwasseralge Prymnesium parvum die Lebensgrundlage entzogen werden kann – diese war für das massenhafte Fisch- und Muschelsterben im Jahr 2022 auf 300km Flusslänge verantwortlich.
Tote Fische am Ufer der Oder

Tote Fische während der menschengemachten Umweltkatastrophe im Jahr 2022. | Foto: Luc De Meester/UGB

Unter normalen Bedingungen käme die Alge nicht in so hoher Dichte in der Oder vor. Erst durch die große Menge von Kochsalz (Natriumchlorid, NaCl) im Fluss entstand die menschengemachte Umweltkatastrophe. Doch Kochsalz gilt nicht als Nähr- oder Schadstoff und wird deshalb in den bisherigen Bewirtschaftungsplänen für die Oder nicht berücksichtigt. Seine indirekte Schadwirkung als essentielle Wachstumsgrundlage für P. parvum wird gegenwärtig nicht erfasst und ist dennoch von zentraler Bedeutung für den ökologischen Zustand der Oder, erläutern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

In der dritten, wichtigen Bewirtschaftungsfrage zu Bergbaufolgen wird zwar die Grundwasserbelastung durch Salz erwähnt, darüber hinaus jedoch nicht berücksichtigt, dass solche salzbelasteten Grundwässer abgepumpt und in die Oder als Oberflächengewässer eingeleitet werden.

Zusammenhang von Salzkonzentration und Algenwachstum erforscht

Das IGB hat Ursachen und Folgen der menschengemachten Oder-Katastrophe intensiv untersucht, unter anderem in dem vom Bundesumweltministerium geförderten Sonderuntersuchungsprogramm ODER~SO. Die Laboruntersuchungen bestätigten ein optimales Wachstum von P. parvum bei 2-8 ppt Salzgehalt und signifikant geringeres Wachstum bei Salzgehalten unter 0,5 ppt und über 15 ppt. Der Salzgehalt des Oderwassers ist nach wie vor unverändert und erreicht regelmäßig über längere Zeiträume vor allem im Sommer bis zu 1,5 ppt.

Von Mai bis August 2024 wurden vom IGB drei Massenentwicklungen von P. parvum in der Oder beobachtet,  während derer die Alge keine nennenswerten Toxine bildete und die nicht mit einem Fisch- und Muschelsterben einhergingen. An der wissenschaftlichen Aufklärung dieses Phänomens wird gearbeitet, aber solange die Auslöser der Toxinbildung unverstanden sind, gebietet es laut der Forschenden das Vorsorgeprinzip, der Brackwasseralge P. parvum die Lebensgrundlage zu entziehen und die Salzbelastung der Oder schnell und signifikant zu senken.

Salzproblematik sollte nicht umgangen werden

Aus Sicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es daher dringend erforderlich, die Salzbelastung als eigenständige „wichtige Bewirtschaftungsfrage“ aufzunehmen, aufgrund der Dringlichkeit vielleicht sogar als aktuell wichtigste Bewirtschaftungsfrage. Denn kommt es aufgrund unverändert hohen Salzeintrags zu erneuten Fisch- und Muschelsterben, werden sehr wahrscheinlich auch Maßnahmen zu den wichtigen Bewirtschaftungsfragen 1 (morphologische Veränderungen) und 2 (stoffliche Belastungen) keine Wirkung entfalten. Wenn die IKSO ihre selbstgesetzten Ziele erreichen wolle, dürfe die Salzproblematik in den Bewirtschaftungsplänen nicht umgangen werden.

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