
Ein ausgewachsenes Gavialweibchen mit Nachwuchs. | Foto: Phoebe Griffith
Der IUCN Green Status of Species ergänzt die bekannte Rote Liste, den globalen Standard zur Bewertung des Aussterberisikos einzelner Arten. In der Roten Liste ist der Gavial (Gavialis gangeticus) als „vom Aussterben bedroht“ (CR) aufgeführt. Der „Green Status” schätzt ein, wie weit die Art von einer vollständigen Erholung entfernt ist, und berücksichtigt dabei auch die bisherigen Naturschutzbemühungen sowie das Potenzial für eine zukünftige Erholung in verschiedenen Regionen. Diese Regionen sind sorgfältig ausgewählte räumliche Einheiten, die im Rahmen der Bewertung zugewiesen werden. In dieser erstmaligen Bewertung des Green Status wurde der Gavial nun als „kritisch dezimiert” eingestuft.
Krokodil mit hoher biologischer und kultureller Relevanz
„Gaviale, die auch als Ghariale bezeichnet werden, sind aufgrund ihrer langen Schnauzen und der knolligen ‚Ghara‘-Struktur am Schnauzenende der erwachsenen Männchen sehr besondere Krokodile. Der Name stammt von dem Wort für eine lokal gebräuchliche Topfform, der sie äußerlich ähneln”, erklärt Phoebe Griffith.
Auch aus ökologischer und evolutionärer Sicht ist diese Art ziemlich einzigartig. Wenn man außerdem auf die Geschichte Südasiens blickt, kann man in Kunstwerken aus den letzten 5.000 Jahren schwimmende Gaviale entdecken. „Dies zeigt, dass diese Art auch ein wichtiger Teil des kulturellen Erbes ist, mit dem die Menschen die Flüsse über Jahrtausende hinweg gefahrlos geteilt haben. Erst mit dem Aufkommen großflächiger Flussinfrastrukturen seit der Kolonialzeit ging es für die Gaviale bergab“, sagt Phoebe Griffith, die im Schwerpunkt die Süßwasser-Megafauna erforscht, also aquatische Tierarten mit über 30 Kilogramm Körpergewicht. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Forschung ist die biokulturelle Vielfalt; Sie betrachtet die verschiedenen kulturellen Rollen von Süßwasser-Megafauna-Arten als Schlüsselaspekt ihrer Erhaltung.
Zukünftige Schutzmaßnahmen sollten sich auf den Schutz und die Wiederherstellung von Lebensräumen konzentrieren
Gaviale sind wichtige Leit- und Schirmarten in den Flüssen Indiens und Nepals. Der Schutz ihrer Lebensräume kommt auch vielen anderen Arten zugute. Dank der bisherigen Schutzbemühungen ist der Gavial nicht vollständig verschwunden, wie die Autorinnen und Autoren betonen. Ohne Schutzgebiete und Verbote für die Fischerei mit Kiemennetzen, die Jagd und das Sammeln von Eiern wäre der Gavial jedoch mit ziemlicher Sicherheit bereits ausgestorben. „Die Bewertung hilft uns, einen Blick auf die Zukunft des Gavialschutzes zu werfen und bestehende Populationen zu identifizieren, deren Erholung durch innovative, evidenzbasierte Schutzmaßnahmen gefördert werden könnte“, erklärt Phoebe Griffith. Sie ist Co-Vorsitzende des European Croc Network und des Early-Career Croc Network und gehört dem Lenkungsausschuss der IUCN SSC Crocodile Specialist Group an.
Laut dem Bewertungsteam gibt es noch Hoffnung für den Gavial. Die Schutzmaßnahmen müssen jedoch strategisch dort ansetzen, wo sie die größte Wirkung erzielen, insbesondere beim Schutz und der Wiederherstellung von Lebensräumen sowie bei Maßnahmen zur Förderung der Koexistenz mit dem Menschen.
Population Changes in Gharials (Gavialis gangeticus) Vary Spatially in Chitwan National Park, Nepal

Weiblicher Gavial im Baghmara Community Forst, Nepal. | Foto: Phoebe Griffith

Ein Baby-Gavial, nur wenige Zentimeter groß. | Foto: Phoebe Griffith

Die menschengemachten Veränderungen von Flüssen machen dem Gavial zu schaffen. | Foto: Phoebe Griffith